09. Dezember 2022

Inklusive Bildung stärken!

Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen erwartet wie ihre Amtskolleginnen und –kollegen höhere Anstrengungen zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems: „Wir haben das Ziel und den gesetzlichen Auftrag, eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicherzustellen. Die Förderschulen verzeichnen weiterhin hohe Anmeldezahlen. Das lässt vermuten, dass an vielen Regelschulen noch keine geeigneten Bedingungen für eine gelingende inklusive Bildung geschaffen wurden.“

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember fordern die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in einem heute veröffentlichten Papier dazu auf, die inklusive schulische Bildung zu stärken. Sie verweisen auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die seit 2009 in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes gilt. Daraus folgt, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf diskriminierungsfreie inklusive Beschulung haben.

Aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) zeigen jedoch, dass das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland noch immer nicht flächendeckend gewährt wird:
Zwar besuchten von den 582.400 Schülerinnen sowie Schülern, die im Jahr 2020 sonderpädagogisch gefördert wurden, rund 56% eine Förderschule und rund 44% eine allgemeine Schule. Der Anteil der Schüler sowie Schülerinnen mit sonderpädagogischer Förderung bezogen auf alle ist in den letzten Jahren jedoch insgesamt gestiegen. Das führt dazu, dass der Anteil der Schülerinnen sowie Schüler, die eine Förderschule besuchen, seit Ratifizierung der UN-BRK kaum abgenommen hat: Sie lag im Jahr 2020 bei 4,3 Prozent. Für Schleswig-Holstein ist festzustellen, dass die Schülerzahlen mit Förderbedarf insgesamt und insbesondere an den Förderschulen in den vergangenen Jahren ansteigen (2019/20: 5.598; 2021/22: 6065).

Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung:
„Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Teilhabe, Bildungs- und Aufstiegschancen ermöglicht. Im Jahr 2020 verließen mehr als 70 Prozent der Jugendlichen, die eine Förderschule besuchten, die Schule ohne Hauptschulabschluss. Mit ihrem Zögern beim Abbau der Förderschulen vergeuden viele Bundesländer Talente und Fachkräftepotenzial. In Zeiten akuten Fachkräftemangels können wir uns das auch volkswirtschaftlich nicht mehr leisten.“

Christian Walbrach, Behindertenbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt:
„Artikel 24 der UN-BRK verpflichtet Deutschland dazu, ein inklusives Schulsystem sicherzustellen. Von der Erfüllung dieser Pflicht sind wir in mehreren Bundesländern jedoch weit entfernt. Leider müssen wir im Gegenteil eine nahezu ungezügelte Ausweitung von Sondersystemen und sonderpädagogischen Förderbedarfen beobachten. Das ist aus meiner Sicht eine Sackgasse, die Ohnmacht, Ignoranz, Unkenntnis, oder auch Überforderung offenbart. Ich befürchte, ein Grund dafür ist auch der fehlende, krisenfeste bildungspolitische Wille. Wir müssen gemeinsam aufpassen,  dass das Schulsystem auch angesichts der schwierigen Personalversorgung nicht vor Überlastung zusammenbricht. Die allgemeinen Schulen müssen  wieder stärker in die Lage versetzt werden, ihrem Förderauftrag entsprechen zu können. Neben bedarfsgerechten materiell-technischen Ressourcen  benötigen wir unter anderem eine stabile sonderpädagogische Grundversorgung der allgemeinen Schulen. Darüber hinaus muss man auch über gezielte Veränderungen des Schulsystems sprechen.“ Im Einzelnen sind aus Sicht der Beauftragten folgende Schritte für eine erfolgreiche Transformation  erforderlich:

  1. Hochwertige inklusive Bildung gewährleisten
  2. Transformation zügig und strukturiert voranbringen
  3. Unabhängige Förderdiagnostik, individuelle Förderplanung, erforderliche Nachteilsausgleiche und Hilfsmittel gewähren
  4. Inklusive Schulen mit qualifiziertem Personal bedarfsgerecht ausstatten
  5. Bauliche, technische und digitale Barrierefreiheit gewährleisten

Die Pressemitteilung als PDF

 

 

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