12. Januar 2024
Abschließende Bemerkungen des UN-Fachausschuss zum 2. und 3. Staatenbericht Deutschland, Zusammenstellung
Die hier angefügte Aufstellung stellt eine verkürzte Übersicht über die bezeichneten Bemerkungen dar und erhebt keinen Anspruch auf autorisierte Übertragung oder rechtliche Verbindlichkeit. Sie soll nur in einer vereinfachten Übersetzung eine Gesamtschau der sehr wichtigen Bemerkungen anbieten und einen Überblick verschaffen. Eine offizielle Übersetzung ist derzeit (Januar 2024) noch nicht veröffentlicht worden.
Zur intensiveren Befassung wird auf die Fundstelle des Originaldokumentes in englischer Sprache verwiesen.
Eine offizielle Übersetzung wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erstellt und nach Fertigstellung auf deren Website veröffentlicht.
Zur Übersicht auf der Seite des BMAS
Die Monitoringstelle des Bundes hat mitgeteilt, dass sie ebenfalls eine Übersetzung (nicht amtlich) beauftragt hat und nach Fertigstellung veröffentlichen wird.
Zum Staatenberichtsverfahren auf der Seite der Monitoringstelle
Der konstruktive Dialog, der neben dem Staatenbericht und Schattenberichten in die abschließenden Bemerkungen einfließt, ist aufgezeichnet worden. Er wurde zum Teil auch recht kritisch geführt. Erfreulich ist, dass er gleichzeitig in deutscher und internationaler Gebärdensprache übersetzt wurde. Die Aufzeichnungen wurden von der UN auf ihrer Website veröffentlicht. Für die deutsche Übersetzung wurde der Kanal für chinesische Sprache genutzt. Bei Bedarf zeigt ein Bildschirmfoto in der Gallerie (ganz am Ende dieses Beitrages), wie die deutsche Übersetzung ausgewählt werden kann
Zur Aufzeichnung der ersten Sitzung am 29.08.2023
Zur Aufzeichnung der zweiten Sitzung am 30.08.2023
Im Folgenden wir die abschließenden Bemerkungen grob zusammengefasst, um einen Überblick über die Anhörung zu geben. Dabei sind die Artikel aus der UN-Behindertenrechtskonvention, auf die sich die Antworten beziehen unter den einzelnen Überschriften verlinkt.
Allgemeine Staatenpflichten (Artikel 1-4)
[Artikel 1: Zweck, Artikel 2: Begriffe, Artikel 3: Grundsätze, Artikel 4: Allgemeine Verpflichtungen]
Der Ausschuss kritisiert, dass der Behinderungsbegriff in deutschen Gesetzen nicht den Grundsätzen der UN-Konvention entspricht, hier insbesondere bezüglich Nichtdiskriminierung und bezogen auf das Menschenrechtsmodell von Behinderung.
Der Ausschuss empfiehlt Deutschland insbesondere:
(im Original sind weitere Empfehlungen enthalten!)
- Strategien zu entwickeln, um in allen Rechtsbereichen behinderungsbedingte Maßnahme wirksam festzulegen,
- bestehende Gesetze und weiteres Regierungshandeln zu überprüfen, Aktionspläne zu entwickeln und angemessene Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz (der Rechte) zu ergreifen,
- stärkere aktive Beteiligung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen unter Berücksichtigung von entsprechenden Standards und ausreichend Zeit und verschiedene Kommunikationsformate.
Hervorgehoben wird abschließend, dass der Ausschuss die textbasierte Form der Rechtsprechung und Rechtsumsetzung der Konvention für überarbeitungswürdig hält.
Nichtdiskriminierungsrechte (Artikel 5 -9)
Artikel 5: Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung
sagt der Fachausschuss, dass es keinen ausreichenden Diskriminierungsschutz gibt.
Viele Regelungen gelten nicht für private Anbieter von Waren und Dienstleistungen, und das Fehlen angemessener Vorkehrungen werde nicht als Diskriminierung verstanden. Außerdem werden Mehrfachdiskriminierungen rechtlich nicht berücksichtigt.
Deshalb empfiehlt der Fachausschuss, dass Deutschland seine Gesetze ändern, und zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung ergreifen sollte.
Artikel 6: Frauen
Es wird kritisiert, dass der Ausschuss keine umfassende Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Behinderung und Frauen oder Mädchen sieht. Außerdem fehlen langfristige Finanzierungen für Organisationen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Deshalb schlägt der Ausschuss auch hier Gegenmaßnahmen vor und spricht zusätzlich den Schutz von Migrantinnen mit Behinderungen an.
Artikel 7: Kinder
Der Ausschuss bemängelt, dass die Mitarbeitenden in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche zu wenig von den Bedarfen der Kinder mit Behinderungen wissen.
Es fehlen außerdem Daten über geflüchtete Kinder mit Behinderungen, die Deutschland unbedingt erheben soll. Nur wenn wir die Daten kennen, können diese Kinder von Beginn an richtig untergebracht werden und einen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung erhalten.
Artikel 8: Bewusstseinsbildung
Der Fachausschuss empfiehlt, dass Deutschland eine nationale Strategie entwickelt, um das Bewusstsein für die Rechte und Würde von Menschen mit Behinderungen in der gesamten Gesellschaft zu bilden und damit insgesamt eine Einstellungsänderung fördert.
Der Fachausschuss hat also durch Berichte von Organisationen aus Deutschland den Eindruck dass in Deutschland gegenüber Menschen mit Behinderungen Vorurteile bestehen und sie in bestimmten Bereichen schlecht behandelt werden.
Das muss mit der geforderten Strategie geändert werden!
Artikel 9: Zugänglichkeit
Im Artikel 9 wird Barrierefreiheit definiert.
Der Fachausschuss empfiehlt der Bundesregierung, den eigenen Koalitionsvertrag und die europäische Rechtsnormen so umzusetzen, dass alle Dienstleistungen (privat und öffentlich) zugänglich werden und dass die Regeln zur Barrierefreiheit tatsächlich umgesetzt werden.
Anforderungen an barrierefreien Wohnraum sollen erweitert und gestärkt werden.
Die selbstbestimmte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln soll gewährleistet werden. Hierzu macht der Fachausschuss noch genauere Angaben welche Regelungen dazu geändert aber vor allem dass sie verbindlich mit Zeitplänen umgesetzt werden sollen.
Schließlich fordert der Fachausschuss Deutschland dazu auf, dass Menschen mit Behinderungen eng und aktiv bei der Entwicklung von Barrierefreiheitsstandards einbezogen werden sollen.
Freiheits- und Schutzrechte (Artikel 10 – 23)
Artikel 10: Recht auf Leben
Der Ausschuss bezieht sich mit seinen Anmerkungen hier lediglich auf das Bundesgesetz über Triage Entscheidungen. Er spricht die Empfehlung aus, in dieses Gesetz Kriterien einzuführen, die Diskriminierungen wirksam verhindert.
Artikel 11: Risikosituationen und humanitäre Notfälle
Der Ausschuss hat erkannt, dass die Einbeziehung der Selbstvertretungen in der Pandemie nicht stattfand und internationale Regeln nicht beachtet wurden. Daher empfiehlt er eine enge Konsultation und aktive Einbindung von Menschen mit Behinderungen, die Entwicklung eines nationalen Notfallplanes der auf allen Ebenen der Verwaltung gilt (Bund, Land, Kommune) und auf internationalen Rahmenbestimmungen beruht (Sendai, IASC-Richtlinien).
Artikel 12: Gleiche Anerkennung vor dem Gesetz
Hier hat der Fachausschuss seine Anmerkung auf das durch das geänderte Betreuungsrecht zwar gestärkte aber nicht im Sinne der Konvention ausgelegte Recht auf unterstützte Entscheidungsmechanismen konzentriert. Es wird die immer noch mögliche Ersatzentscheidung für betreute Menschen durch bestellte Dritte kritisiert und angemahnt, dass eine nationale umfassende Strategie in enger Abstimmung und unter aktiver Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene entwickelt werden muss, um ein System unterstützter Entscheidungsfindung zu etablieren.
Artikel 13: Zugang zur Justiz
Der Ausschuss bemängelt, dass die Verfahren für Menschen mit Behinderungen mit schwer zu bewältigenden Hürden versehen sind.
Daher empfiehlt der Fachausschuss die Verfahrensregeln zu ändern und die Verfahren zum einen kostenlos vorzuhalten, die Menschen in der Rechtspflege auf Bedarfe von Menschen mit Behinderungen zu schulen und andererseits sämtliche Einrichtungen (Gebäude etc.), Informationen und die Kommunikation barrierefrei zu gestalten.
Artikel 14: Freiheit und Sicherheit der Person
Zu diesem Artikel äußert sich der Ausschuss in sehr scharfer Form. Er sieht die Zwangsunterbringung und -behandlung in Einrichtungen sowie Freiheitsbeschränkungen als schweren Eingriff in die Menschenrechte und fordert Deutschland daher wie schon in den vorangegangenen Anmerkungen im Jahr 2015 auf diese Eingriffe nunmehr rechtlich zu verbieten, um diese gravierenden Eingriffe zu verhindern.
Ausdrücklich wird die stark eingeschränkte Rechtsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen durch dauerhafte und unbefristete Einweisungen in die forensische Psychiatrie kritisiert. Diese Möglichkeiten sollten aufgehoben werden, da sie härter wirken als Verurteilungen nach Straftaten durch ein Gericht.
Artikel 15: Freiheit von Folter
Der Fachausschuss betrachtet die Möglichkeit von medikamentöser Zwangsbehandlung, Fixierungen und Isolation in Einrichtungen sowie die mangelnde Aufsicht und Überwachung solcher Maßnahmen und schließlich fehlende unabhängige Beschwerdemechanismen mit Sorge.
Daher empfiehlt er diese Praktiken zu verbieten. Zudem sollen unabhängige Überwachungsstellen eingerichtet werden, ein zugänglicher Beschwerdemechanismus eingerichtet werden und für die Opfer solcher Praktiken sollen Informationen und Rechtsberatung zur Verfügung gestellt werden aber auch Wiedergutmachung, Entschädigung und Rehabilitation ermöglicht werden.
Artikel 16: Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch
Aus den Berichten gerade von Nichtregierungsorganisationen schließt der Ausschuss, dass eine hohe Rate von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, insbesondere gegen Frauen und Mädchen besteht. Dagegen fehlen umfassende und vor allem wirksame Gewaltschutzstrategien.
Der Ausschuss fordert daher Strategien nach der Istanbul-Konvention zu entwickeln, unabhängige Überwachungsstellen sowie Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen einzurichten und Gesetzes- sowie Politikreformen zum Schutz vor allen Formen von Gewalt und Missbrauch, insbesondere für Frauen und Mädchen mit Behinderungen durchzuführen.
Artikel 17: Schutz der Unversehrtheit der Person
Hier legt der Ausschuss besonderen Augenmerk auf Berichte zu immer noch stattfindenden Zwangssterilisationen sowie unfreiwilliger Empfängnisverhütung bei Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Auch der umfassende Schutz für intersexuelle Kinder vor invasiven Eingriffen, die Geschlechtsmerkmale verändern, ist nach Auffassung des Ausschusses nicht gegeben.
Deswegen sind hier gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich und das Gesetz zum Schutz von Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung von 2021 ist zu ändern, um umfassenden Schutz zu gewährleisten.
Artikel 18: Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit
In den abschließenden Bemerkungen werden für zugewanderte Menschen mit Behinderungen die Einschränkungen beim Zugang zu behinderungsspezifischen Unterstützungen, das Fehlen einer einheitlichen und angemessenen Identifizierung von Beeinträchtigungen und der Ausschluss von Menschen mit Behinderungen, die Leistungen beziehen, bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft kritisiert.
Empfohlen wir daraus resultierend:
der Zugang zu Leistungen ohne Diskriminierung (aufgrund der Herkunftslandes), Identifizierung von Zugewanderten mit Behinderungen und angemessene Unterstützung, Sicherstellung eines gleichberechtigten Zugangs zur Staatsangehörigkeit für Menschen mit Behinderungen.
Artikel 19: Unabhängige Lebensführung und Teilhabe
Hierunter zeigt sich der Ausschuss besorgt über die weitgehende Segregation in Institutionen und den Mangel an Wahlfreiheit sowie in diesem Zusammenhang die Komplexität von Leistungen wie zum Beispiel bei der Verwendung des persönlichen Budgets.
Daher sollte Deutschland eine umfassende Deinstitutionalisierungsstrategie entwickeln, das Angebot an bezahlbarem und zugänglichem Wohnraum erhöhen und die Dienste besser auf individuelle Bedürfnisse ausrichten.
Artikel 20: Persönliche Mobilität
Auf Grundlage der bei der UN eingegangenen Berichte zur persönlichen Mobilität empfiehlt der Fachausschuss umfassende und einheitliche Mechanismen in allen Bundesländern einzurichten, um die Bereitstellung erschwinglicher, hochwertiger Mobilitätshilfen, Geräte, unterstützender Technologien und anderer Formen der Unterstützung auf der Grundlage der individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern.
Artikel 21: Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen
Die abschließenden Bemerkungen haben unter diesem Artikel besonders fehlende nationale Standards und eine wirksame Überwachung bei der Zugänglichkeit von Informationen im Blick.
So empfiehlt der Ausschuss in enger Absprache und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen alle notwendigen Maßnahmen für einen Standard auf Grundlage von internationalen und europäischen Regeln zu ergreifen. Damit soll sichergestellt werden, dass die für die breite Öffentlichkeit bestimmten Informationen in zugänglichen Formaten wie beispielsweise Gebärdensprache und leichte Sprache und über unterstützende Technologie auch durch private Anbieter für alle Menschen mit Behinderungen zeitnah und ohne zusätzliche Kosten verfügbar sind, insbesondere während einer Notfallkrise.
Artikel 22: Achtung der Privatsphäre
Dem Ausschuss wurden Hinweise bekannt, die das Fehlen von Rücksicht auf Datenschutz beinhalten.
Das ist der Grund für die Empfehlung alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Überarbeitung der Datenschutzgesetze, um den Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre in Krankenhäusern, Institutionen und geschützten Werkstätten zu gewährleisten, und Datenschutzprotokolle und gesicherte Systeme zum Datenaustausch zwischen den Genannten Einrichtungen und Diensten einzurichten. Die Vertraulichkeit persönlicher, Gesundheits- und Rehabilitationsdaten von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen soll damit gewährleistet werden.
Artikel 23: Achtung der Wohnung und der Familie
Hier bemängelt der Ausschuss wie bereits zum Betreuungsrecht die Einschränkungen unter den Schlagworten „vertragsunfähig, geschäftsunfähig“ sowie ersatzweise Zustimmungen und Sterilisation einer inhaftierten Person nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Die Bestimmungen, die Menschen mit Behinderungen daran hindern könnten, das Recht auf Ehe, Elternschaft und reproduktive Rechte in vollem Umfang wahrzunehmen und auszuüben sollten abgeschafft werden. Das Modell der unterstützten Entscheidungsfindung dagegen soll insgesamt gefördert werden um zum Beispiel allen Menschen häusliches und familiäres Leben zu ermöglichen.
Soziale Rechte (Artikel 24 – 27)
Artikel 24: Bildung
Der Ausschuss hat auch in der Anhörung dem Thema Bildung umfassend Zeit gegeben. Er kommt zu einer gravierend anderen Bewertung der Situation als die Berichterstatter. Die Empfehlungen sind umfangreich, hier werden nur einige zentrale Punkte vorgestellt.
Es ist auch hier wie bereits in anderen vorgestellten Artikeln grundlegend wichtig, dass die Entwicklung eines umfassenden Plans zur Beschleunigung des Übergangs von Sonderwelten zu inklusiven Angeboten unbedingt unter aktiver Beteiligung von Schülern mit Behinderungen, ihren Familien und repräsentativen Organisationen stattfindet.
Dazu gehören auch kontinuierliche Fortbildung für Lehrkräfte und nichtlehrendes Personal in inklusiver Bildung auf allen Ebenen.
Darüber hinaus sollen Daten über Anzahl und Anteil von Flüchtlingskindern mit Behinderungen erhoben werden.
Artikel 25: Gesundheit
Im Gesundheitswesen kritisiert der Ausschuss mangelnde Barrierefreiheit auch bezüglich der Informationen und der Kommunikation sowie fehlende Schulungen für Fachkräfte zum Thema Menschen mit Behinderungen. Diese Mängel gilt es abzustellen.
Ein schon in Artikel 18 angesprochener und vor allem in der Anhörung gegenüber dem zuständigen Staatssekretär kritisch betonter Aspekt wird hier hervorgehoben: ein gleichberechtigter und umfassender Zugang zu Gesundheitsdiensten für Asylsuchende mit Behinderungen.
Artikel 26: Habilitation und Rehabilitation
In den abschließenden Bemerkungen bemängelt der Ausschuss indirekt das sehr gegliederte Leistungssystem Deutschlands, dass dazu führe, dass umfassende Leistungen von verschiedenen Anbietern in den Ländern unterschiedlich und nicht gemäß der Wahl von Menschen mit Behinderungen leicht erreichbar sind. Hier sollten zugängliche und flexible Mechanismen entwickelt werden und die ausgrenzenden Effekte von so genannten Sondereinrichtungen wie Gemeinschaftsunterkünfte oder Werkstätten abgeschafft werden.
Artikel 27: Arbeit und Beschäftigung
Wie im vorangegangenen Artikel schon angemerkt, widmet sich der Ausschuss auch dem Status der Werkstätten für behinderte Menschen und vor allem deren zu geringen Effekten für Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt. Darüber hinaus soll nach Ansicht des Ausschusses im allgemeinen Arbeitsmarkt nach wirksameren Instrumenten gesucht werden, um die Beschäftigungsquote gerade im privaten/gewerblichen Sektor zu erhöhen. Darüber hinaus werden diskriminierende Praktiken bemängelt, die im Berufsbildungssystem Zugänglichkeit und Inklusion beschränken.
Artikel 28: Lebensstandard und Sozialschutz
Das erhöhte Armutsrisiko bei Menschen mit Behinderungen besorgt den Ausschuss. Auch wird eine unzureichende Unterstützung, auch finanziell, bei Menschen gesehen die nach dem 25 Lebensjahr bei ihren Eltern leben. Schließlich führt die Eingliederungshilfe noch immer dazu, dass gleichberechtigtes Sparen nicht möglich ist und damit die finanzielle Sicherheit im Alter gefährdet wird. Hier sollten direkt die entsprechenden Regeln überarbeitet werden.
Artikel 29: Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben
Nach Würdigung der ihm vorliegenden Berichte fordert der Ausschuss Deutschland auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit Menschen mit Behinderungen in politischen Parteien aktiv werden können, wie zum Beispiel mit der Unterstützung durch Gebärdensprachdolmetschen. Insbesondere sollten Frauen mit Behinderungen stärker gefördert werden. Schließlich sollen alle Verantwortlichen für barrierefreies Wahlmaterial und barrierefreie Wahllokale sorgen.
Artikel 30: Teilhabe an Kultur und Freizeit
Der Ausschuss erkennt Mängel bei Zugang und Nutzung von Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen. Daher empfiehlt er sicherzustellen, dass diese Stätten zugänglich sind, Menschen mit Behinderungen kostenlosen Zugang zu persönlicher Unterstützung erhalten um die Angebote in diesen Stätten zu nutzen wie auch beispielsweise die kulturelle Identität gehörloser Menschen zu fördern und die kulturelle Vielfalt durch Flüchtlinge mit Behinderungen zu bereichern.
Besondere Pflichten (Artikel 31 - 33)
Artikel 31: Statistik und Datenerhebung
Hier wiederholt der Ausschuss eine Anmerkung von 2015, die sich besorgt über das in Deutschland angewendete medizinische Modell zur Behindertenstatistik und die Unterscheidungen von schwer- oder nicht schwerbehinderten Menschen. Daher empfiehlt der Ausschuss die Definition für Behinderung aus der Konvention anzuwenden. Es sollten auch geeignete, international anerkannte Datenerhebungen angewendet werden und spezifische Daten über geflüchtete Menschen mit Behinderungen erhoben werden.
Artikel 32: Internationale Zusammenarbeit
Vom Ausschuss wird die Sorge geäußert, dass bei Entwicklungszusammenarbeiten die Menschen mit Behinderungen nicht effektiv einbezogen werden. Die Mittelverwendung von Hilfen sollte genauer auf ihre Zweckerfüllung und die Einhaltung von Standards geprüft werden.
Gravierend erscheint auch, dass die Budgets für die behindertenspezifischen Projekte zu niedrig sein könnten, um die gewünschten Ziele zu erreichen.
Artikel 33: Durchführung und Überwachung bei der Umsetzung
Zum letzten Artikel problematisiert der Ausschuss die Überwachung und Umsetzung der Konvention, die als schlecht ausgestattet gesehen wird (personell, technisch, finanziell) und wo ein Mangel an Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in diese Prozesse gesehen wird.
Der Ausschuss empfiehlt, gerade in den Ländern dauerhafte und gesetzlich fixierte Mechanismen nach den geltenden Standards einzurichten und die genannten Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen.